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Auftaktveranstaltung: „Muslime und Religionsfreiheit in Deutschland“

21.11.2022

Am 22. und 23. Oktober 2022 startete die Veranstaltungsreihe „Muslime und Religionsfreiheit in Deutschland“, die an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren des Islamrates gerichtet ist. Der Islamrat dokumentiert die Veranstaltung.

 

Religionsfreiheit als Menschenrecht                           

Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt – Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. Heiner Bielefeldt erklärte in seinem eröffnenden Vortrag, dass Religionsfreiheit, so auch die freie Religionsausübung, eines der bedeutendsten Menschenrechte sei. Einschränkungen der freien Religionsausübung unterlägen stets der Begründungspflicht. Auch kulturelle Vorbehalte oder der Mehrheitswille könnten Einschränkungen der Religionsfreiheit nicht begründen. Seinem Appell fügt er hinzu, dass sich das deutsche Recht noch im Lernprozess befinde, wenn es um die Sensibilisierung religiöser Freiheiten von Muslimen ginge – so beispielsweise auch in den Urteilen über die religiöse Kopfbedeckung. Religion dürfe auch im öffentlichen Raum sichtbar sein. Ohne eine bestimme Religion oder „Leitkultur“ zu präferieren, solle der säkulare Staat sich als Sachwalter der Religionsfreiheit verstehen.

 

Aktuelle religionssoziologische Entwicklungen und gesellschaftliche Vorstellungen zu muslimischem Leben in Deutschland

Prof. Dr. Gert Pickel – Universität Leipzig

Anhand empirischer Daten zeigte Prof. Dr. Gert Pickel religionssoziologische Trends in Deutschland auf. Er bemerkte, dass die Gesellschaft mit einer steigenden Zahl Religionsloser zunehmend altere und schrumpfe. Gleichzeitig steige die Zahl von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund in Deutschland kontinuierlich an. Die damit einhergehende religiöse Pluralisierung werde von Vorurteilen und rassistischer Diskriminierung begleitet, die von rechtsradikalen Parteien reproduziert würden. Dies fördere antimuslimische Einstellungen und Polarisierung in der Gesellschaft. Der gesellschaftliche Zusammenhalt und eine auf Pluralität ausgerichtete demokratische politische Kultur seien dadurch gefährdet.

Fragen an das Recht, Gesellschaft, Politik und an den Glauben

Prof. Dr. Dr. h.c. Mathias Rohe – Friedrich-Alexander-Universität

Prof. Dr. Dr. Mathias Rohe setzte sich in seinem Vortrag mit tagesaktuellen Fragen über Staat und Religion auseinander. Gegen das Missverständnis über den Säkularitätsbegriff als Religionsfeindlichkeit räumte er ein, dass Säkularität grundlegend für die Religionsfreiheit sei und staatlichem Unrecht entgegenwirken könne. Außerdem merkt er an, dass sich der politische Wille zu häufig der Ablehnung des Islams beuge, obwohl gerade ein klarer politischer Wille gefordert sei, um das Recht auf Religionsfreiheit und die staatliche Neutralität und Säkularität im eigentlichen Sinne mit allen Rechten und Pflichten zu gewährleisten. Auch Professor Rohe bemerkte, dass das Recht zwar gegenüber neuer gesellschaftlicher Umstände, so auch mit Blick auf individuelle sowie kollektive Religionsfreiheit anpassungsfähig sei, um seine Kernaufgabe der Sicherung des Friedens zu erfüllen, doch bedürften solche Prozesse immer ausreichend Zeit. 

 

Herrschaft, Dialog und Religionsfreiheit. Historische Grundlagen des religionspolitischen Systems in Deutschland

Prof. Dr. Antonius Liedhegener – Universität Luzern

In seinem Vortrag über die Geschichte des religionspolitischen Systems in Deutschland stellte Prof. Dr. Antonius Liedhegener, insbesondere mit Blick auf die stark wachsende Bedeutung der muslimischen Minderheit in Deutschland, aber auch anderer religiöser Minderheiten, die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der bestehenden religionspolitischen Ordnung in Deutschland. Anhand einer Analyse der Geschichte des Religionsverfassungsrechts hielt er fest, dass die religiös-kulturelle Prägung des Religionsrechts in Deutschland weit in die Geschichte zurückgreift. Die Geschichte zeige wertvolle Hinweise auf handlungsleitende Gesichtspunkte für eine zukünftige Religionspolitik, die auf eine förderliche, gemeinwohlorientierte Gestaltung religiöser und weltanschaulicher Diversität ausgelegt sei. Er betonte die Wichtigkeit der organisierten Verfasstheit von Religion für ihre Anerkennung und ihre Rolle als Ansprechpartner für den Staat, mit dem es gemeinsam Vereinbarungen trifft und Rechte trägt. Religiöse Vielfalt im pluralen Gemeinwesen brauche heute und in Zukunft staatlichen Rechtsschutz.

 

Religions- und Säkularitätsverständnisse in Deutschland

Prof. Dr. Detlef Pollack – Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Aus einer soziologischen Perspektive diskutierte Prof. Dr. Detlef Pollack theoretisch angeleitet verschiedene Religions- und Säkularitätsverständnisse. Dabei verwies er auf ihre unterschiedlichen Bedeutungsdimensionen und ihre ideenpolitische und kulturelle Umstrittenheit. Unter Rückgriff auf die Säkularisierungsthese setzte er sich u. a. mit der Bedeutung von Religion und Religiosität in individuellen Lebenswelten der Moderne auseinander.  Professor Pollack beendete seinen Vortrag mit der Frage, wie angesichts partiell liberaler und islamfeindlicher Bevölkerungseinstellungen eine religionsfreundliche Politik und Rechtsprechung durchgehalten werden könne und appellierte an Muslime für eine reflexive Haltung zu religiösen Geltungsansprüchen.

 

Islamisch-theologische und verfassungsrechtliche Perspektive auf das Thema Religion, Säkularität und Religionsfreiheit

Prof. Dr. iur. Ҫefli Ademi – Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Prof. Dr. Ademi erklärte in seinem Vortrag, dass Religion, so auch der Islam, Ansätze für einen für den Rechtsstaat notwendigen verfassungsethischen Gemeinsinn biete. Besonders in der islamischen Rechtstradition seien Ansätze zu erkennen, die universelle rechtsethische Werte identifizierten und damit eine konsensfähige Rechtsfindung ermöglichen sollten. Ferner unterschied Prof. Ademi den säkularen Staat von einem „säkularisierenden Staat“, denn ein säkularer Staat dürfe sich nicht dem Religiösen bemächtigen oder sich als rivalisierende Kraft zu Religion verstehen, sondern er sei positiv neutral und verpflichte sich der gleichberechtigten Förderung von Religionen.

 

 

 

Eindrücke aus der Veranstaltung:

 

Auftaktveranstaltung: „Muslime und Religionsfreiheit in Deutschland“

21. November 2022

Am 22. und 23. Oktober 2022 startete die Veranstaltungsreihe „Muslime und Religionsfreiheit in Deutschland“, die an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren des Islamrates gerichtet ist. Der Islamrat dokumentiert die Veranstaltung.

 

Religionsfreiheit als Menschenrecht                           

Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt – Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. Heiner Bielefeldt erklärte in seinem eröffnenden Vortrag, dass Religionsfreiheit, so auch die freie Religionsausübung, eines der bedeutendsten Menschenrechte sei. Einschränkungen der freien Religionsausübung unterlägen stets der Begründungspflicht. Auch kulturelle Vorbehalte oder der Mehrheitswille könnten Einschränkungen der Religionsfreiheit nicht begründen. Seinem Appell fügt er hinzu, dass sich das deutsche Recht noch im Lernprozess befinde, wenn es um die Sensibilisierung religiöser Freiheiten von Muslimen ginge – so beispielsweise auch in den Urteilen über die religiöse Kopfbedeckung. Religion dürfe auch im öffentlichen Raum sichtbar sein. Ohne eine bestimme Religion oder „Leitkultur“ zu präferieren, solle der säkulare Staat sich als Sachwalter der Religionsfreiheit verstehen.

 

Aktuelle religionssoziologische Entwicklungen und gesellschaftliche Vorstellungen zu muslimischem Leben in Deutschland

Prof. Dr. Gert Pickel – Universität Leipzig

Anhand empirischer Daten zeigte Prof. Dr. Gert Pickel religionssoziologische Trends in Deutschland auf. Er bemerkte, dass die Gesellschaft mit einer steigenden Zahl Religionsloser zunehmend altere und schrumpfe. Gleichzeitig steige die Zahl von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund in Deutschland kontinuierlich an. Die damit einhergehende religiöse Pluralisierung werde von Vorurteilen und rassistischer Diskriminierung begleitet, die von rechtsradikalen Parteien reproduziert würden. Dies fördere antimuslimische Einstellungen und Polarisierung in der Gesellschaft. Der gesellschaftliche Zusammenhalt und eine auf Pluralität ausgerichtete demokratische politische Kultur seien dadurch gefährdet.

Fragen an das Recht, Gesellschaft, Politik und an den Glauben

Prof. Dr. Dr. h.c. Mathias Rohe – Friedrich-Alexander-Universität

Prof. Dr. Dr. Mathias Rohe setzte sich in seinem Vortrag mit tagesaktuellen Fragen über Staat und Religion auseinander. Gegen das Missverständnis über den Säkularitätsbegriff als Religionsfeindlichkeit räumte er ein, dass Säkularität grundlegend für die Religionsfreiheit sei und staatlichem Unrecht entgegenwirken könne. Außerdem merkt er an, dass sich der politische Wille zu häufig der Ablehnung des Islams beuge, obwohl gerade ein klarer politischer Wille gefordert sei, um das Recht auf Religionsfreiheit und die staatliche Neutralität und Säkularität im eigentlichen Sinne mit allen Rechten und Pflichten zu gewährleisten. Auch Professor Rohe bemerkte, dass das Recht zwar gegenüber neuer gesellschaftlicher Umstände, so auch mit Blick auf individuelle sowie kollektive Religionsfreiheit anpassungsfähig sei, um seine Kernaufgabe der Sicherung des Friedens zu erfüllen, doch bedürften solche Prozesse immer ausreichend Zeit. 

 

Herrschaft, Dialog und Religionsfreiheit. Historische Grundlagen des religionspolitischen Systems in Deutschland

Prof. Dr. Antonius Liedhegener – Universität Luzern

In seinem Vortrag über die Geschichte des religionspolitischen Systems in Deutschland stellte Prof. Dr. Antonius Liedhegener, insbesondere mit Blick auf die stark wachsende Bedeutung der muslimischen Minderheit in Deutschland, aber auch anderer religiöser Minderheiten, die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der bestehenden religionspolitischen Ordnung in Deutschland. Anhand einer Analyse der Geschichte des Religionsverfassungsrechts hielt er fest, dass die religiös-kulturelle Prägung des Religionsrechts in Deutschland weit in die Geschichte zurückgreift. Die Geschichte zeige wertvolle Hinweise auf handlungsleitende Gesichtspunkte für eine zukünftige Religionspolitik, die auf eine förderliche, gemeinwohlorientierte Gestaltung religiöser und weltanschaulicher Diversität ausgelegt sei. Er betonte die Wichtigkeit der organisierten Verfasstheit von Religion für ihre Anerkennung und ihre Rolle als Ansprechpartner für den Staat, mit dem es gemeinsam Vereinbarungen trifft und Rechte trägt. Religiöse Vielfalt im pluralen Gemeinwesen brauche heute und in Zukunft staatlichen Rechtsschutz.

 

Religions- und Säkularitätsverständnisse in Deutschland

Prof. Dr. Detlef Pollack – Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Aus einer soziologischen Perspektive diskutierte Prof. Dr. Detlef Pollack theoretisch angeleitet verschiedene Religions- und Säkularitätsverständnisse. Dabei verwies er auf ihre unterschiedlichen Bedeutungsdimensionen und ihre ideenpolitische und kulturelle Umstrittenheit. Unter Rückgriff auf die Säkularisierungsthese setzte er sich u. a. mit der Bedeutung von Religion und Religiosität in individuellen Lebenswelten der Moderne auseinander.  Professor Pollack beendete seinen Vortrag mit der Frage, wie angesichts partiell liberaler und islamfeindlicher Bevölkerungseinstellungen eine religionsfreundliche Politik und Rechtsprechung durchgehalten werden könne und appellierte an Muslime für eine reflexive Haltung zu religiösen Geltungsansprüchen.

 

Islamisch-theologische und verfassungsrechtliche Perspektive auf das Thema Religion, Säkularität und Religionsfreiheit

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Prof. Dr. Ademi erklärte in seinem Vortrag, dass Religion, so auch der Islam, Ansätze für einen für den Rechtsstaat notwendigen verfassungsethischen Gemeinsinn biete. Besonders in der islamischen Rechtstradition seien Ansätze zu erkennen, die universelle rechtsethische Werte identifizierten und damit eine konsensfähige Rechtsfindung ermöglichen sollten. Ferner unterschied Prof. Ademi den säkularen Staat von einem „säkularisierenden Staat“, denn ein säkularer Staat dürfe sich nicht dem Religiösen bemächtigen oder sich als rivalisierende Kraft zu Religion verstehen, sondern er sei positiv neutral und verpflichte sich der gleichberechtigten Förderung von Religionen.

 

 

 

Eindrücke aus der Veranstaltung: