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Stellungnahmen des KRM zum “Gesetz zur Einführung von Islamischem Religionsunterricht als ordentliches Lernfach”

15.09.2011

STELLUNGNAHME DES KRMS ZUM “GESETZ ZUR EINFÜHRUNG VON ISLAMISCHEM RELIGIONSUNTERRICHT ALS ORDENTLICHES

LERNFACH (6. SCHULRECHTSÄNDERUNGSGESETZ)”,
GESETZENTWURF DER FRAKTIONEN VON CDU,
SPD UND BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DRUCKSACHE 15/2209
BEDEUTUNG DES IRU

In Nordrhein‐Westfalen wird nun seit über 30 Jahren über die Einführung eines
islamischen Religionsunterrichts diskutiert. Zahlreiche Initiativen wurden bisher dazu
gestartet. Das 6. Schulrechtsänderungsgesetz stellt einen neuen Ansatz dar, der den
islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen etablieren soll.

Die Einführung des islamischen Religionsunterrichts ist wichtig und nötig. In diesem Sinne
wirken die muslimischen Religionsgemeinschaften in NRW seit Jahrzehnten an der Debatte
mit und stehen dem Land als Ansprech‐ und Kooperationspartner zur Verfügung.

Der IRU ist wichtig für die muslimischen Kinder. Ziel des bekenntnisgebundenen
Religionsunterrichts muss in erster Linie die Stiftung einer positiven Identifikation mit der
eigenen Religion sein. Er ist in konfessioneller Positivität und Gebundenheit zu erteilen.
Zentraler Gegenstand sind die grundlegenden Überzeugungen der jeweiligen Religion als
Glaubenswahrheit. Der Unterricht wird von LehrerInnen aus dem Glauben heraus, nicht aus
der Distanz heraus gestaltet; die LehrerInnen vermitteln, was geglaubt werden soll.

Verfassungspolitisch betrachtet ist die Aufgabe des Religionsunterrichts positiv bestimmt.
Er dient in erster Linie der Grundrechtsverwirklichung der Bürger. Mit der institutionellen
Garantie des Religionsunterrichts wird ein subjektives Recht der Schüler, der Eltern und
der Religionsgemeinschaft in der Schule gewährleistet. Er soll zur religiösen Entfaltung und
Verwirklichung im Leben führen. Insofern ist er um der Bürger, nicht um des Staates willen
da, auch wenn daraus unterstützenswerterweise Gewinn für das Gemeinwohl in Staat und

Gesellschaft erwartet wird. Darüber hinaus stellt der Religionsunterricht eine staatliche
Kulturaufgabe dar. Er dient zur Tradierung des kulturellen Erbes und soll die religiösen
Ursprünge und Bedingtheiten der Kulturentwicklung deutlich machen und zur Einsicht in
die tragenden Werte und Lebenskräfte der religiös motivierten Individual‐ und Sozialethik
führen. Der IRU soll dabei, die Kinder an ein selbstkritisch‐reflektiertes islamisches
Selbstbewusstsein heranführen, zu Verständnis und Toleranz gegenüber Andersdenkenden
beitragen, die Wertentscheidungen des Grundgesetzes nicht negieren und vor allem die
Lebenswirklichkeit in einer pluralistischen Gesellschaft vor Augen halten.

FESTSCHREIBUNG EINES NEGATIV‐STATUS

Der säkulare auf die Neutralität verpflichtete Staat kann nicht vermitteln, wie die Muslime
den Islam zu verstehen haben, genauso wenig wie er Christen oder Juden eine bestimmte
Theologie vorgeben kann. Deshalb muss ein solcher Unterricht von
Religionsgemeinschaften verantwortet werden.

Diese werden jedoch nicht vom Staat gebildet, sondern ergeben sich aus der zur
Glaubensverwirklichung selbstbestimmten Vereinigung von Angehörigen derselben
Glaubensgemeinschaft. Im Zusammenhang mit den Muslimen sind dies die Gemeinschaften
im Koordinationsrat der Muslime (KRM), die die überwältigende Mehrheit der
Moscheegemeinden in NRW repräsentieren und eine breite muslimische Vielfalt abdecken.
Dort findet das religiöse Leben statt, seit nunmehr 50 Jahren und länger.

Die im Gesetzesentwurf genannte Begründung der Notwendigkeit für solch ein Gesetz
erscheint insofern als problematisch. Während in der Begründung des Gesetzes noch davon
gesprochen wird, dass bei den muslimischen Gemeinschaften die „Qualifikation als
Religionsgemeinschaft noch nicht feststeht“, wird diese Frage im Gesetzestext für die
Gemeinschaften negativ festgeschrieben. Mit dem berechtigten Interesse, nicht jeden
religiösen Verein zum Anspruchsberechtigten für solch einen Unterricht zu machen – was
religionsverfassungsrechtlich falsch wäre ‐ werden als Kooperationsvoraussetzungen
Kriterien angeführt, die uns sonst als Definitionsmerkmale von Religionsgemeinschaften
begegnen. So soll das Land „mit einer islamischen Organisation zusammenarbeiten, die
Aufgaben wahrnimmt, die für die religiöse Identität ihrer Mitglieder wesentlich sind. Die
Organisation muss eigenständig und unabhängig sein und die Gewähr“ auf Dauer bieten.

Problematisch an dieser Ausführung ist, dass diese Definition sich mit den wesentlichen
Merkmalen von Religionsgemeinschaften überschneiden. Zudem kann es bei den im KRM
organisierten islamischen Religionsgemeinschaften nicht darauf ankommen, ob diese
abstrakt als islamische Religionsgemeinschaft anerkannt sind oder nicht. Denn es gibt keine
abstrakte Anerkennung als eine Religionsgemeinschaft und keine Instanz, die
(privatrechtliche) Religionsgemeinschaften als solche abstrakt anerkennt. Im Übrigen ist es
unstreitig, dass die Moscheegemeinden islamische Religionsgemeinschaften darstellen.
Unstreitig ist auch, dass die Zusammenschlüsse von Moscheegemeinden, die mit diesen
gemeinschaftlich und umfassend auf verschiedenen Ebenen der Religionsverwirklichung
dienen, auch Religionsgemeinschaften sind.

Sie sind also ohne weiteren Hoheitsakt kraft ihres Selbstverständnisses und dem äußeren
Erscheinungsbild schon Religionsgemeinschaft. Beim Religionsunterricht geht es darüber
hinaus um die Beantwortung der Frage, ob die in Betracht kommende Körperschaft bzw.
die Körperschaften neben ihrem Status als Religionsgemeinschaft die weitergehenden
Voraussetzungen in Bezug auf den konkreten Regelungszusammenhang zur Durchführung
des Religionsunterrichts erfüllen.

Festzuhalten bleibt, dass die im Entwurf zugrundeliegende Annahme, es gebe keine
islamischen Religionsgemeinschaften, ein Irrtum darstellt und von falschen rechtlichen
Voraussetzungen bzgl. des Begriffs „Religionsgemeinschaft“ ausgeht.

Zudem wird der juristisch unbestimmte Begriff „wesentlich“ nach einer Verabschiedung des
Gesetzes für weitere Probleme sorgen. Aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffs wird mit
dem nur „wesentlich“ zu erfüllenden Kriterien die Möglichkeit eröffnet, dass jede andere
religiöse Vereinigung, die partiell religiöse Dienste anbietet, erfolgreich klagen könnte, um
in den Beirat aufgenommen zu werden. Dies würde weitere unüberschaubare neue
juristische und organisatorische Probleme schaffen.

NOTWENDIGKEIT EINES GESETZES ZUR EINFÜHRUNG DES IRU

An dieser Stelle muss auch die Frage gestellt werden, ob zur Einführung eines
Religionsunterrichts und der Kooperation zwischen Land und muslimischen
Religionsgemeinschaften, wie sie Art. 7 III GG für den Religionsunterricht als notwendig
erachtet, eine Gesetzesänderung notwendig ist.

Der konkrete Einstieg in Gespräche um die endgültige Einrichtung eines islamischen
Religionsunterrichts ist schon seit langem angebracht und möglich. Rechtlich steht solch
einem Schritt nichts entgegen.

Die im KRM organisierten Religionsgemeinschaften stellen für das Schulministerium schon
seit Jahrzehnten die einzigen Ansprechpartner in den Verhandlungen um einen islamischen
Religionsunterricht in der öffentlichen Schule dar. Dabei ist kritisch darauf hinzuweisen,
dass die Erhebungen über Mitgliedszahlen der islamischen Religionsgemeinschaften in der
Gesetzesbegründung zu Absatz 2 des Gesetzesentwurfs den eigenen Zahlen der
Gemeinschaften widersprechen und erhebliche Fehler vorweisen. Zum einen findet in der
zitierten Studie „Muslimisches Leben in Nordrhein‐Westfalen“ in dieser Frage die im
Vergleich zum Christentum eigene Art der Religiösität und Gemeindestrukturen der
Muslime kaum Berücksichtigung, Zum anderen fällt die Kritik bezüglich der
Legitimations‐Herausforderung der islamischen Religionsgemeinschaften einseitig aus:
Während deren Mitgliederstrukturen auf Herz und Nieren überprüft werden, oft auch unter
Weglassen relevanter Informationen ‐ z.B. die eindeutig verifizierbare Gemeindeanzahl ‐
werden die „Gegenmodelle“, wie zum Beispiel die in der DIK sitzenden
Partikularinteressen, Einzelpersonen oder auch kleinere Interessenverein, die nach eigenen
Angaben für die große schweigende Mehrheit der Muslime sprechen wollen, kaum auf
Legitimation und Repräsentanz überprüft.

Die im KRM zusammengeschlossenen Gemeinschaften haben zu dem bereits seit langem
ihren Willen bekundet, zusammen an einem gemeinsamen Religionsunterricht mitwirken
zu wollen, der sowohl für die Kinder der Mitglieder dieser Gemeinschaften aber auch für
jeden anderen, der sich zum islamischen Bekenntnis zählt und daran teilnehmen will,
angeboten werden soll.

Dabei muss jedoch von Anfang an die Einhaltung der in 7 III GG angeführten Grundsätze der
Religionsgemeinschaften gewährleistet werden. Denn nur dadurch wird ein Verstoß gegen
das Neutralitätsprinzip bei der Einrichtung eines solchen Unterrichts verhindert. Bei den
notwendigen Gesprächen zwischen Land und muslimischen Gemeinschaften könnten dann
Aspekte wie die bekenntnisgebundene Eignung der bereits im Bereich der “Islamkunde” in
NRW aktiven Lehrer, die Bildung von Lehrplankommissionen trotz des Fehlens von
Religionslehrern mit religionsgemeinschaftlicher Vollmacht, notwendige Lehrmaterialien,
das Einsichtsrecht in den Unterricht und schließlich die inhaltliche Ausgestaltung des
Religionsunterrichts insgesamt erörtert werden.

Diese Übereinkünfte dann in einem öffentlich‐rechtlichen Vertrag festzuhalten, der Art. 7 III
GG und § 31 SchulG NRW als Rechtgrundlage hat und beide Seiten mit Rechten und
Pflichten belegt, stellt für das Staatskirchenrecht kein Novum, sondern gerade die Regel dar.
Dieser Weg wird derzeit auch in Niedersachsen gegangen, wo keine Notwendigkeit für ein
eigenes Gesetz zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts gesehen und somit das
Selbstverständnis der Ansprechpartner als islamische Religionsgemeinschaft nicht negiert
wird.

BEDEUTUNG DER EINFÜHRUNG EINES ÜBERGANGSGESETZES

Der Religionsunterricht ist nach Art. 7 III GG ordentliches Lehrfach an der Schule. Die
Voraussetzungen dafür leiten sich aus Verfassungsnormen, neben Art. 7 III GG auch die
korporierten staatskirchenrechtlichen Artikel der Weimarer Reichsverfassung, ab. Dem
Landesgesetzgeber steht die Möglichkeit zu, diese Voraussetzungen einfachgesetzlich
nachzuzeichnen.

Im nordrhein‐westfälischen Schulgesetz wird diese Möglichkeit bereits in § 31 SchulG NRW
genutzt. Die geplante Gesetzesänderung geht jedoch weit über dieses Nachzeichnen hinaus.
Mit dem Gesetz könnte ein religionsverfassungsrechtlicher Status eingeführt, den es in
dieser Form bisher nicht gegeben hat. Nach der Definition im Gesetz wird zwar einerseits
eine Religionsgemeinschaft beschrieben, andererseits wird dieser, an der Einrichtung eines
Unterrichtes nach § 132 a SchulG mitwirkenden Gemeinschaft diese Eigenschaft gerade mit
dieser Vorschrift abgesprochen.

Dabei ignoriert diese Regelung das Selbstverständnis und das Selbstbestimmungsrecht der
islamischen Religionsgemeinschaft und der Muslime allgemein. Statt die Qualifikation als
Religionsgemeinschaft offen zu lassen, wie es in der Begründung suggeriert wird, wird
dessen Nichtvorhandensein gesetzlich festgeschrieben.

Die Entkopplung der Religionsgemeinschaftseigenschaft von dem Selbstverständnis der
Gemeinschaften und der praktischen Umsetzung dieses Verständnisses in der Gemeinschaft
verstößt insbesondere gegen das staatliche Neutralitätsgebot. Denn das Vorhandensein
einer Religionsgemeinschaft könnte so am Ende nur noch vom Vorhandensein eines
staatlichen Placets abhängig gemacht, was wiederum bedeuten würde, das der Staat sich
Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungen der Religionsgemeinschaften zubilligt, die
dem Neutralitätsgebot entgegen stehen Zudem würden die muslimischen Gemeinschaften
mit ihrer Zustimmung zu dieser Regelung ihrem eigenen Anspruch, Religionsgemeinschaft
zu sein, widersprechen und damit ihre Daseinsberechtigung, Funktionalität und Ansprüche
auch in anderen Bereichen zur Disposition stellen.

Auch wenn die Gesetzesänderung in Form eines Übergangsgesetzes umgesetzt werden soll,
soll es sich bei den Entscheidungen hinsichtlich des zu etablierenden Unterrichts nicht um
befristete Regelungen oder Entscheidungen handeln. So werden die einzustellenden Lehrer
in der Regel verbeamtet werden, die zu errichtenden Lehrpläne sollen möglichst ihr
gesamtes zeitliches und inhaltliches Gültigkeitspotential ausschöpfen und die Schulbücher
für das Fach werden sicherlich auch nicht alljährlich inhaltlich völlig neu aufgelegt werden
können. Der Begriff des “Übergangs” bezieht sich in dieser Diskussion auf den Status der
beteiligten Gemeinschaften, nicht auf die Natur des Religionsunterrichts. An einer
tatsächlichen Befristung, wie sie in vielen Gesetzgebungsverfahren immer häufiger
angewandt wird, fehlt es hier nämlich.

Die Gesetzesänderung hätte insbesondere Auswirkungen auf die anzuwendenden
Verfahren der Etablierung des Religionsunterrichts. Es ist zu befürchten, dass das Gesetz
einen neuen Status formuliert, der die Anwendung der bisher etablierten Prozeduren in
Frage stellt. Durch die Formulierung eines Nicht‐Religionsgemeinschafts‐Status, wird
gerade die Notwendigkeit der Gleichbehandlung der beteiligten Gemeinschaften in Frage
gestellt.

Zudem könnten die Gemeinschaften gezwungen sein, immer wieder in Verhandlungen mit
dem Schulministerium über religionsverfassungsrechtlich eigentlich geklärte Sachverhalte
einzutreten. Dabei würde der gesetzlich festgeschriebene Status als
Nicht‐Religionsgemeinschaft immer wieder als Hindernis bei der Wahrnehmung der
religionsgemeinschaftlichen Mitwirkungsrechte auftauchen.

Ausstrahlungen hätte das Gesetz als kodifiziertes Recht auch auf andere Bereiche des
Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaft. Immer dann, wenn es auf die
„Qualifikation als Religionsgemeinschaft“ ankommt, würde die Wertung des § 132 a SchulG
zum Tragen kommen. Damit würde der Status von muslimischen Religionsgemeinschaften
als Religionsgemeinschaften zweiter Klasse verfestigt werden.

Zudem stellt der Entwurf zentrale Aussagen des Religionsverfassungsrechts zur Diskussion.
Dies führt dazu, dass solche Modelle eher den Kirchen und dem
religionsverfassungsrechtlichen Modell Deutschlands schadet. Denn gelingt die
Anerkennung und Integration der muslimischen Religionsgemeinschaften nicht, droht das
tradierte System zwischen Staat und Religionen seine Legitimität zu verlieren und die
Stellung der christlichen Kirchen würde eine unhaltbare, da ungerechtfertigte
Privilegierung gegenüber anderen Religionsgemeinschaften darstellen. Ein solcher Weg
sollte im Interesse aller und vor allem des bewährten Modells nicht geebnet werden.

Abgemildert kann dieser Effekt nur durch eine tatsächliche Befristung des Gesetzes, nicht in
der Form einer Berichtspflicht, sondern in der Form der Benennung eines Verfallsdatums
geschehen, wie es § 111.3 der GGO ermöglicht. Es steht außer Frage, dass alle Akteure
früher oder später die Etablierung eines islamischen Religionsunterrichts auf der Basis von
Art. 7 III GG und insbesondere § 31 SchulG anstreben. Ein dauerhaft eingerichteter § 132 a
SchulG, der von einer Berichtspflicht zur nächsten verlängert wird, würde jedoch den
notwendigen Gesprächen und Verhandlungen zwischen dem Staat und den muslimischen
Religionsgemeinschaften die Grundlage entziehen. Der in der „Gemeinsamen Erklärung“
zwischen dem Schulministerium und dem KRM zugesicherte Dialog mit der Staatskanzlei,
hätte diese Fragen und auch grundsätzliche Fragen bereits aufgreifen können. Diesen
Dialog gilt es nun endlich zu etablieren.

BEIRATSREGELUNG

Durch die geplante Beiratsregelung wird die hier dargelegte Ungleichbehandlung deutlich.
So stellt schon die Wahrnehmung des Mitwirkungsrechts durch einen Beirat eine bisher
ungewohnte Neuerung im Religionsverfassungsrecht dar. Die Meinungsbildung findet dabei
in der Religionsgemeinschaft, unabhängig von staatlicher Beeinflussung statt oder baut auf
eine Bevollmächtigung durch die entsprechende Religionsgemeinschaft auf.

Der Staat trägt zwar als „Unternehmer“ des Religionsunterrichts die sachlichen und
personellen Kosten und übt das staatliche Aufsichtsrecht über den Unterricht aus. Der
Inhalt des Unterrichts und die Bekenntniswahrung sind jedoch Angelegenheiten der
Religionsgemeinschaft. Die Bindung an die Grundsätze der Religionsgemeinschaft soll die
konfessionelle Positivität und Gebundenheit des Religionsunterrichts gewährleisten. Auch
wachen die Religionsgemeinschaften über die Konfessionalität des Religionsunterrichts
(Homogenitäts‐Prinzip), also über die Bekenntnisbindung von Lehrern und Schülern. Für
diese Aufgaben muss die Religionsgemeinschaft dem Staat zwar Ansprechpartner zur
Verfügung stellen, sie übt diese Rechte jedoch direkt aus.

Der Religionsunterricht wird materiell in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der
Religionsgemeinschaften erteilt (vgl. Art. 7 III 2 GG), d.h. die inhaltliche Verantwortung liegt
bei den jeweiligen Religionsgemeinschaften. Deshalb können die staatlichen Lehrpläne, die
zu verwendenden Schulbücher und sonstige Unterrichtsmaterialien nicht ohne
Zustimmung der jeweiligen Religionsgemeinschaften festgelegt werden. So sehen etwa die
Bestimmungen des Codex Iuris Canonici über die Erteilung von Religionsunterricht in der
Schule u.a. in cc. 825, 827 § 2 CIC 1983 vor, dass als Unterrichtsgrundlage nur von der
(katholisch) kirchlichen Autorität herausgegebene bzw. genehmigte Bücher verwendet
werden dürfen.Dem religiös‐weltanschaulich neutralen Staat steht keine Entscheidung
darüber zu, ob diese Grundsätze “angemessen” sind.

Bei mehreren Religionsgemeinschaften, die einen Religionsunterricht gemeinsam
verantworten sollen, könnte aus Gründen der Praktikabilität ein Gremium zur
Meinungsbildung eingerichtet werden. Da über dieses Gremium das Mitwirkungsrecht der
Gemeinschaften wahrgenommen werden soll, ist dieses Gremium den
Religionsgemeinschaften zuzuordnen. Das schon für den Religionsunterricht geltende

Homogenitätsprinzip muss erst recht für solch ein Gremium gelten, denn wenn den
Religionsgemeinschaften schon keine konfessionsfremden oder konfessionslosen Schüler
aufgedrängt werden dürfen, muss dies insbesondere für ein Gremium gelten, in dem die
Inhalte des Religionsunterrichts ausgearbeitet und festgelegt werden sollen. Hier müssen
die Religionsgemeinschaften auch keine anderen „Mitentscheider“ akzeptieren, die sich bei
ihrer Mitwirkung erst über die Religionsgemeinschaften legitimieren müssen, ohne diesen
selbst anzugehören.

Wenn sich die Religionsgemeinschaften zum Aufbau eines Gremiums entschließen, das der
Schulbehörde als Ansprechpartner zur Verfügung stehen soll, so muss dieses nicht im
Schulministerium verortet werden. Es ist jedoch vorstellbar, dass das Schulministerium als
„Unternehmer“ des Religionsunterrichts aus seiner Trägerschaft für die sachlichen und
persönlichen Kosten in Absprache und mit Zustimmung der Religionsgemeinschaften die
Trägerschaft für dieses Gremium mit übernimmt. Dabei muss gewährleistet bleiben, dass
die inhaltliche Verantwortung hinsichtlich des Bekenntnisses weiterhin ausschließlich bei
den Religionsgemeinschaften verbleibt.

Dies könnte in Form eines Beirates geschehen, bei dem die inhaltliche Struktur des vormals
genannten Gremiums beizubehalten wäre. Inwiefern zusätzlicher externer Sachverstand in
das Gremium aufgenommen werden muss, wäre dann wiederum ‐ da dies eine inhaltliche
Frage wäre ‐ Angelegenheit der Religionsgemeinschaften. Die Verortung des
religionsgemeinschaftlichen Gremiums beim Ministerium wäre insoweit eine Form der
organisatorischen Unterstützung der für den Religionsunterricht notwendigen Benennung
eines Ansprechpartners, um nicht mit allen vier Gemeinschaften einzeln ins Gespräch treten
zu müssen. Eine inhaltliche Einmischung von staatlicher Seite, wozu auch die personelle
Ausstattung gehört, würde jedoch gegen die staatliche Neutralität in
Glaubensangelegenheiten verstoßen.

Konkret bedeutet dies, dass ein solches Gremium (Beirat) nur aus Vertretern der
Religionsgemeinschaften bestehen darf. Doch kann es je nach Diskussionsgegenstand
notwendig werden, dass zusätzlicher externer Sachverstand auf Vorschlag der
bekenntnisgebundenen Beiratsmitglieder in das Gremium aufgenommen werden soll. Dabei
muss jedoch wiederum das Homogenitäts‐Prinzip eingehalten werden. Dies kann
zumindest dadurch gewährleistet werden, dass die bekenntnisgebundenen Vertreter in
Bekenntnisfragen nicht überstimmt werden können. Diesen Anforderungen wird der
vorliegende Entwurf des § 132 a Abs. 5 in seiner jetzigen Form nicht gerecht.

INHALTLICHE ASPEKTE

Inhaltlich hat der Gesetzesentwurf neben den hier überblicksartig aufgezählten Problemen
noch weitere Aspekte, die angesprochen werden müssen. Eine Vielzahl dieser Schwächen
könnte vermieden werden, wenn das Gesetz in wesentlichen Punkten auf die Regelungen
des § 31 SchulG verweisen würde. Es ist auffallend, dass die hier noch anzuführenden
Aspekte in § 132 a fehlen, während sie im § 31 SchulG im Detail ausgeführt und gesetzlich
konkretisiert werden. Hinsichtlich des IRUs bedeutet dies, dass verfassungsrechtlich
gebotene Verfahren erst einmal grundsätzlich zur Diskussion gestellt werden.

§ 31 legt die notwendige Mindestzahl an Schülerinnen und Schüler eines Bekenntnisses zur
Einführung eines Religionsunterrichts an einer Schule mit 12 fest. Eine solche
Konkretisierung fehlt in § 132 a. Auch fehlt es an einer Klarstellung, dass es sich auch beim
Religionsunterricht nach § 132 a um einen ordentlichen Unterricht handelt.

Zu begrüßen ist die Teilnahmeregelung, die auf die Angabe des Teilnahmeinteresses bei der
Schulanmeldung abstellt. Dies erscheint als die praktikabelste Lösung, um die Frage nach
der Bekenntniszugehörigkeit zu lösen. Die Feststellung der eigenständigen
Befreiungsmöglichkeit der Schüler ist religionsverfassungsrechtlich richtig, wieso aber bei
muslimischen Schülern die Eltern keine Mitteilung darüber bekommen sollen, während
dies § 31 für die anderen Religionsunterrichte vorsieht, ist sachlich nicht nachvollziehbar.

Abschließend ist klärungsbedürftig, warum wesentliche Regelungen des § 31 Schulgesetz in
dem § 132 a fehlen. Dies sind Regelungen dahingehend, dass der Erlass der
Unterrichtsvorgaben im Einvernehmen mit den Religionsgemeinschaften oder dem Beirat ,
die Festsetzung der Unterrichtsstunden im Benehmen mit diesen, die Bevollmächtigung der
Lehrer durch Beirat oder Religionsgemeinschaft erfolgen und die Erwähnung der
Möglichkeit auch muslimische „Geistliche“ bei Fehlen von ausgebildeten Religionslehrern
einzusetzen ‐ alles Regelungen aus dem § 31 SchulG. Genauso fehlt es an der Klarstellung,
dass niemand gezwungen werden darf, Religionsunterricht zu erteilen. Auch das Recht auf
Einsichtnahme durch den Beirat oder die beteiligten Religionsgemeinschaften findet keine
Erwähnung.

Insgesamt muss gewährleistet werden, dass neue Lösungsansätze nicht noch mehr Probleme
aufwerfen als sie Alte lösen. Das laufende Gesetzgebungsverfahren bietet die Möglichkeit,
diese Mängel auszubessern. Davon sollte im Sinne eines vertrauensvollen Umgangs zu
Beginn einer längerfristigen Kooperation zwischen dem Land NRW und den muslimischen
Gemeinschaften Gebrauch gemacht werden. Dies sind wir gerade den muslimischen
Kindern schuldig, die es verdienen, dass nicht nur über die Einführung eines
bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts an ihrer öffentlichen Schule diskutiert,
sondern dieser endlich auch eingeführt wird.

Stellungnahmen des KRM zum “Gesetz zur Einführung von Islamischem Religionsunterricht als ordentliches Lernfach”

15. September 2011

STELLUNGNAHME DES KRMS ZUM “GESETZ ZUR EINFÜHRUNG VON ISLAMISCHEM RELIGIONSUNTERRICHT ALS ORDENTLICHES

LERNFACH (6. SCHULRECHTSÄNDERUNGSGESETZ)”,
GESETZENTWURF DER FRAKTIONEN VON CDU,
SPD UND BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DRUCKSACHE 15/2209
BEDEUTUNG DES IRU

In Nordrhein‐Westfalen wird nun seit über 30 Jahren über die Einführung eines
islamischen Religionsunterrichts diskutiert. Zahlreiche Initiativen wurden bisher dazu
gestartet. Das 6. Schulrechtsänderungsgesetz stellt einen neuen Ansatz dar, der den
islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen etablieren soll.

Die Einführung des islamischen Religionsunterrichts ist wichtig und nötig. In diesem Sinne
wirken die muslimischen Religionsgemeinschaften in NRW seit Jahrzehnten an der Debatte
mit und stehen dem Land als Ansprech‐ und Kooperationspartner zur Verfügung.

Der IRU ist wichtig für die muslimischen Kinder. Ziel des bekenntnisgebundenen
Religionsunterrichts muss in erster Linie die Stiftung einer positiven Identifikation mit der
eigenen Religion sein. Er ist in konfessioneller Positivität und Gebundenheit zu erteilen.
Zentraler Gegenstand sind die grundlegenden Überzeugungen der jeweiligen Religion als
Glaubenswahrheit. Der Unterricht wird von LehrerInnen aus dem Glauben heraus, nicht aus
der Distanz heraus gestaltet; die LehrerInnen vermitteln, was geglaubt werden soll.

Verfassungspolitisch betrachtet ist die Aufgabe des Religionsunterrichts positiv bestimmt.
Er dient in erster Linie der Grundrechtsverwirklichung der Bürger. Mit der institutionellen
Garantie des Religionsunterrichts wird ein subjektives Recht der Schüler, der Eltern und
der Religionsgemeinschaft in der Schule gewährleistet. Er soll zur religiösen Entfaltung und
Verwirklichung im Leben führen. Insofern ist er um der Bürger, nicht um des Staates willen
da, auch wenn daraus unterstützenswerterweise Gewinn für das Gemeinwohl in Staat und

Gesellschaft erwartet wird. Darüber hinaus stellt der Religionsunterricht eine staatliche
Kulturaufgabe dar. Er dient zur Tradierung des kulturellen Erbes und soll die religiösen
Ursprünge und Bedingtheiten der Kulturentwicklung deutlich machen und zur Einsicht in
die tragenden Werte und Lebenskräfte der religiös motivierten Individual‐ und Sozialethik
führen. Der IRU soll dabei, die Kinder an ein selbstkritisch‐reflektiertes islamisches
Selbstbewusstsein heranführen, zu Verständnis und Toleranz gegenüber Andersdenkenden
beitragen, die Wertentscheidungen des Grundgesetzes nicht negieren und vor allem die
Lebenswirklichkeit in einer pluralistischen Gesellschaft vor Augen halten.

FESTSCHREIBUNG EINES NEGATIV‐STATUS

Der säkulare auf die Neutralität verpflichtete Staat kann nicht vermitteln, wie die Muslime
den Islam zu verstehen haben, genauso wenig wie er Christen oder Juden eine bestimmte
Theologie vorgeben kann. Deshalb muss ein solcher Unterricht von
Religionsgemeinschaften verantwortet werden.

Diese werden jedoch nicht vom Staat gebildet, sondern ergeben sich aus der zur
Glaubensverwirklichung selbstbestimmten Vereinigung von Angehörigen derselben
Glaubensgemeinschaft. Im Zusammenhang mit den Muslimen sind dies die Gemeinschaften
im Koordinationsrat der Muslime (KRM), die die überwältigende Mehrheit der
Moscheegemeinden in NRW repräsentieren und eine breite muslimische Vielfalt abdecken.
Dort findet das religiöse Leben statt, seit nunmehr 50 Jahren und länger.

Die im Gesetzesentwurf genannte Begründung der Notwendigkeit für solch ein Gesetz
erscheint insofern als problematisch. Während in der Begründung des Gesetzes noch davon
gesprochen wird, dass bei den muslimischen Gemeinschaften die „Qualifikation als
Religionsgemeinschaft noch nicht feststeht“, wird diese Frage im Gesetzestext für die
Gemeinschaften negativ festgeschrieben. Mit dem berechtigten Interesse, nicht jeden
religiösen Verein zum Anspruchsberechtigten für solch einen Unterricht zu machen – was
religionsverfassungsrechtlich falsch wäre ‐ werden als Kooperationsvoraussetzungen
Kriterien angeführt, die uns sonst als Definitionsmerkmale von Religionsgemeinschaften
begegnen. So soll das Land „mit einer islamischen Organisation zusammenarbeiten, die
Aufgaben wahrnimmt, die für die religiöse Identität ihrer Mitglieder wesentlich sind. Die
Organisation muss eigenständig und unabhängig sein und die Gewähr“ auf Dauer bieten.

Problematisch an dieser Ausführung ist, dass diese Definition sich mit den wesentlichen
Merkmalen von Religionsgemeinschaften überschneiden. Zudem kann es bei den im KRM
organisierten islamischen Religionsgemeinschaften nicht darauf ankommen, ob diese
abstrakt als islamische Religionsgemeinschaft anerkannt sind oder nicht. Denn es gibt keine
abstrakte Anerkennung als eine Religionsgemeinschaft und keine Instanz, die
(privatrechtliche) Religionsgemeinschaften als solche abstrakt anerkennt. Im Übrigen ist es
unstreitig, dass die Moscheegemeinden islamische Religionsgemeinschaften darstellen.
Unstreitig ist auch, dass die Zusammenschlüsse von Moscheegemeinden, die mit diesen
gemeinschaftlich und umfassend auf verschiedenen Ebenen der Religionsverwirklichung
dienen, auch Religionsgemeinschaften sind.

Sie sind also ohne weiteren Hoheitsakt kraft ihres Selbstverständnisses und dem äußeren
Erscheinungsbild schon Religionsgemeinschaft. Beim Religionsunterricht geht es darüber
hinaus um die Beantwortung der Frage, ob die in Betracht kommende Körperschaft bzw.
die Körperschaften neben ihrem Status als Religionsgemeinschaft die weitergehenden
Voraussetzungen in Bezug auf den konkreten Regelungszusammenhang zur Durchführung
des Religionsunterrichts erfüllen.

Festzuhalten bleibt, dass die im Entwurf zugrundeliegende Annahme, es gebe keine
islamischen Religionsgemeinschaften, ein Irrtum darstellt und von falschen rechtlichen
Voraussetzungen bzgl. des Begriffs „Religionsgemeinschaft“ ausgeht.

Zudem wird der juristisch unbestimmte Begriff „wesentlich“ nach einer Verabschiedung des
Gesetzes für weitere Probleme sorgen. Aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffs wird mit
dem nur „wesentlich“ zu erfüllenden Kriterien die Möglichkeit eröffnet, dass jede andere
religiöse Vereinigung, die partiell religiöse Dienste anbietet, erfolgreich klagen könnte, um
in den Beirat aufgenommen zu werden. Dies würde weitere unüberschaubare neue
juristische und organisatorische Probleme schaffen.

NOTWENDIGKEIT EINES GESETZES ZUR EINFÜHRUNG DES IRU

An dieser Stelle muss auch die Frage gestellt werden, ob zur Einführung eines
Religionsunterrichts und der Kooperation zwischen Land und muslimischen
Religionsgemeinschaften, wie sie Art. 7 III GG für den Religionsunterricht als notwendig
erachtet, eine Gesetzesänderung notwendig ist.

Der konkrete Einstieg in Gespräche um die endgültige Einrichtung eines islamischen
Religionsunterrichts ist schon seit langem angebracht und möglich. Rechtlich steht solch
einem Schritt nichts entgegen.

Die im KRM organisierten Religionsgemeinschaften stellen für das Schulministerium schon
seit Jahrzehnten die einzigen Ansprechpartner in den Verhandlungen um einen islamischen
Religionsunterricht in der öffentlichen Schule dar. Dabei ist kritisch darauf hinzuweisen,
dass die Erhebungen über Mitgliedszahlen der islamischen Religionsgemeinschaften in der
Gesetzesbegründung zu Absatz 2 des Gesetzesentwurfs den eigenen Zahlen der
Gemeinschaften widersprechen und erhebliche Fehler vorweisen. Zum einen findet in der
zitierten Studie „Muslimisches Leben in Nordrhein‐Westfalen“ in dieser Frage die im
Vergleich zum Christentum eigene Art der Religiösität und Gemeindestrukturen der
Muslime kaum Berücksichtigung, Zum anderen fällt die Kritik bezüglich der
Legitimations‐Herausforderung der islamischen Religionsgemeinschaften einseitig aus:
Während deren Mitgliederstrukturen auf Herz und Nieren überprüft werden, oft auch unter
Weglassen relevanter Informationen ‐ z.B. die eindeutig verifizierbare Gemeindeanzahl ‐
werden die „Gegenmodelle“, wie zum Beispiel die in der DIK sitzenden
Partikularinteressen, Einzelpersonen oder auch kleinere Interessenverein, die nach eigenen
Angaben für die große schweigende Mehrheit der Muslime sprechen wollen, kaum auf
Legitimation und Repräsentanz überprüft.

Die im KRM zusammengeschlossenen Gemeinschaften haben zu dem bereits seit langem
ihren Willen bekundet, zusammen an einem gemeinsamen Religionsunterricht mitwirken
zu wollen, der sowohl für die Kinder der Mitglieder dieser Gemeinschaften aber auch für
jeden anderen, der sich zum islamischen Bekenntnis zählt und daran teilnehmen will,
angeboten werden soll.

Dabei muss jedoch von Anfang an die Einhaltung der in 7 III GG angeführten Grundsätze der
Religionsgemeinschaften gewährleistet werden. Denn nur dadurch wird ein Verstoß gegen
das Neutralitätsprinzip bei der Einrichtung eines solchen Unterrichts verhindert. Bei den
notwendigen Gesprächen zwischen Land und muslimischen Gemeinschaften könnten dann
Aspekte wie die bekenntnisgebundene Eignung der bereits im Bereich der “Islamkunde” in
NRW aktiven Lehrer, die Bildung von Lehrplankommissionen trotz des Fehlens von
Religionslehrern mit religionsgemeinschaftlicher Vollmacht, notwendige Lehrmaterialien,
das Einsichtsrecht in den Unterricht und schließlich die inhaltliche Ausgestaltung des
Religionsunterrichts insgesamt erörtert werden.

Diese Übereinkünfte dann in einem öffentlich‐rechtlichen Vertrag festzuhalten, der Art. 7 III
GG und § 31 SchulG NRW als Rechtgrundlage hat und beide Seiten mit Rechten und
Pflichten belegt, stellt für das Staatskirchenrecht kein Novum, sondern gerade die Regel dar.
Dieser Weg wird derzeit auch in Niedersachsen gegangen, wo keine Notwendigkeit für ein
eigenes Gesetz zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts gesehen und somit das
Selbstverständnis der Ansprechpartner als islamische Religionsgemeinschaft nicht negiert
wird.

BEDEUTUNG DER EINFÜHRUNG EINES ÜBERGANGSGESETZES

Der Religionsunterricht ist nach Art. 7 III GG ordentliches Lehrfach an der Schule. Die
Voraussetzungen dafür leiten sich aus Verfassungsnormen, neben Art. 7 III GG auch die
korporierten staatskirchenrechtlichen Artikel der Weimarer Reichsverfassung, ab. Dem
Landesgesetzgeber steht die Möglichkeit zu, diese Voraussetzungen einfachgesetzlich
nachzuzeichnen.

Im nordrhein‐westfälischen Schulgesetz wird diese Möglichkeit bereits in § 31 SchulG NRW
genutzt. Die geplante Gesetzesänderung geht jedoch weit über dieses Nachzeichnen hinaus.
Mit dem Gesetz könnte ein religionsverfassungsrechtlicher Status eingeführt, den es in
dieser Form bisher nicht gegeben hat. Nach der Definition im Gesetz wird zwar einerseits
eine Religionsgemeinschaft beschrieben, andererseits wird dieser, an der Einrichtung eines
Unterrichtes nach § 132 a SchulG mitwirkenden Gemeinschaft diese Eigenschaft gerade mit
dieser Vorschrift abgesprochen.

Dabei ignoriert diese Regelung das Selbstverständnis und das Selbstbestimmungsrecht der
islamischen Religionsgemeinschaft und der Muslime allgemein. Statt die Qualifikation als
Religionsgemeinschaft offen zu lassen, wie es in der Begründung suggeriert wird, wird
dessen Nichtvorhandensein gesetzlich festgeschrieben.

Die Entkopplung der Religionsgemeinschaftseigenschaft von dem Selbstverständnis der
Gemeinschaften und der praktischen Umsetzung dieses Verständnisses in der Gemeinschaft
verstößt insbesondere gegen das staatliche Neutralitätsgebot. Denn das Vorhandensein
einer Religionsgemeinschaft könnte so am Ende nur noch vom Vorhandensein eines
staatlichen Placets abhängig gemacht, was wiederum bedeuten würde, das der Staat sich
Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungen der Religionsgemeinschaften zubilligt, die
dem Neutralitätsgebot entgegen stehen Zudem würden die muslimischen Gemeinschaften
mit ihrer Zustimmung zu dieser Regelung ihrem eigenen Anspruch, Religionsgemeinschaft
zu sein, widersprechen und damit ihre Daseinsberechtigung, Funktionalität und Ansprüche
auch in anderen Bereichen zur Disposition stellen.

Auch wenn die Gesetzesänderung in Form eines Übergangsgesetzes umgesetzt werden soll,
soll es sich bei den Entscheidungen hinsichtlich des zu etablierenden Unterrichts nicht um
befristete Regelungen oder Entscheidungen handeln. So werden die einzustellenden Lehrer
in der Regel verbeamtet werden, die zu errichtenden Lehrpläne sollen möglichst ihr
gesamtes zeitliches und inhaltliches Gültigkeitspotential ausschöpfen und die Schulbücher
für das Fach werden sicherlich auch nicht alljährlich inhaltlich völlig neu aufgelegt werden
können. Der Begriff des “Übergangs” bezieht sich in dieser Diskussion auf den Status der
beteiligten Gemeinschaften, nicht auf die Natur des Religionsunterrichts. An einer
tatsächlichen Befristung, wie sie in vielen Gesetzgebungsverfahren immer häufiger
angewandt wird, fehlt es hier nämlich.

Die Gesetzesänderung hätte insbesondere Auswirkungen auf die anzuwendenden
Verfahren der Etablierung des Religionsunterrichts. Es ist zu befürchten, dass das Gesetz
einen neuen Status formuliert, der die Anwendung der bisher etablierten Prozeduren in
Frage stellt. Durch die Formulierung eines Nicht‐Religionsgemeinschafts‐Status, wird
gerade die Notwendigkeit der Gleichbehandlung der beteiligten Gemeinschaften in Frage
gestellt.

Zudem könnten die Gemeinschaften gezwungen sein, immer wieder in Verhandlungen mit
dem Schulministerium über religionsverfassungsrechtlich eigentlich geklärte Sachverhalte
einzutreten. Dabei würde der gesetzlich festgeschriebene Status als
Nicht‐Religionsgemeinschaft immer wieder als Hindernis bei der Wahrnehmung der
religionsgemeinschaftlichen Mitwirkungsrechte auftauchen.

Ausstrahlungen hätte das Gesetz als kodifiziertes Recht auch auf andere Bereiche des
Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaft. Immer dann, wenn es auf die
„Qualifikation als Religionsgemeinschaft“ ankommt, würde die Wertung des § 132 a SchulG
zum Tragen kommen. Damit würde der Status von muslimischen Religionsgemeinschaften
als Religionsgemeinschaften zweiter Klasse verfestigt werden.

Zudem stellt der Entwurf zentrale Aussagen des Religionsverfassungsrechts zur Diskussion.
Dies führt dazu, dass solche Modelle eher den Kirchen und dem
religionsverfassungsrechtlichen Modell Deutschlands schadet. Denn gelingt die
Anerkennung und Integration der muslimischen Religionsgemeinschaften nicht, droht das
tradierte System zwischen Staat und Religionen seine Legitimität zu verlieren und die
Stellung der christlichen Kirchen würde eine unhaltbare, da ungerechtfertigte
Privilegierung gegenüber anderen Religionsgemeinschaften darstellen. Ein solcher Weg
sollte im Interesse aller und vor allem des bewährten Modells nicht geebnet werden.

Abgemildert kann dieser Effekt nur durch eine tatsächliche Befristung des Gesetzes, nicht in
der Form einer Berichtspflicht, sondern in der Form der Benennung eines Verfallsdatums
geschehen, wie es § 111.3 der GGO ermöglicht. Es steht außer Frage, dass alle Akteure
früher oder später die Etablierung eines islamischen Religionsunterrichts auf der Basis von
Art. 7 III GG und insbesondere § 31 SchulG anstreben. Ein dauerhaft eingerichteter § 132 a
SchulG, der von einer Berichtspflicht zur nächsten verlängert wird, würde jedoch den
notwendigen Gesprächen und Verhandlungen zwischen dem Staat und den muslimischen
Religionsgemeinschaften die Grundlage entziehen. Der in der „Gemeinsamen Erklärung“
zwischen dem Schulministerium und dem KRM zugesicherte Dialog mit der Staatskanzlei,
hätte diese Fragen und auch grundsätzliche Fragen bereits aufgreifen können. Diesen
Dialog gilt es nun endlich zu etablieren.

BEIRATSREGELUNG

Durch die geplante Beiratsregelung wird die hier dargelegte Ungleichbehandlung deutlich.
So stellt schon die Wahrnehmung des Mitwirkungsrechts durch einen Beirat eine bisher
ungewohnte Neuerung im Religionsverfassungsrecht dar. Die Meinungsbildung findet dabei
in der Religionsgemeinschaft, unabhängig von staatlicher Beeinflussung statt oder baut auf
eine Bevollmächtigung durch die entsprechende Religionsgemeinschaft auf.

Der Staat trägt zwar als „Unternehmer“ des Religionsunterrichts die sachlichen und
personellen Kosten und übt das staatliche Aufsichtsrecht über den Unterricht aus. Der
Inhalt des Unterrichts und die Bekenntniswahrung sind jedoch Angelegenheiten der
Religionsgemeinschaft. Die Bindung an die Grundsätze der Religionsgemeinschaft soll die
konfessionelle Positivität und Gebundenheit des Religionsunterrichts gewährleisten. Auch
wachen die Religionsgemeinschaften über die Konfessionalität des Religionsunterrichts
(Homogenitäts‐Prinzip), also über die Bekenntnisbindung von Lehrern und Schülern. Für
diese Aufgaben muss die Religionsgemeinschaft dem Staat zwar Ansprechpartner zur
Verfügung stellen, sie übt diese Rechte jedoch direkt aus.

Der Religionsunterricht wird materiell in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der
Religionsgemeinschaften erteilt (vgl. Art. 7 III 2 GG), d.h. die inhaltliche Verantwortung liegt
bei den jeweiligen Religionsgemeinschaften. Deshalb können die staatlichen Lehrpläne, die
zu verwendenden Schulbücher und sonstige Unterrichtsmaterialien nicht ohne
Zustimmung der jeweiligen Religionsgemeinschaften festgelegt werden. So sehen etwa die
Bestimmungen des Codex Iuris Canonici über die Erteilung von Religionsunterricht in der
Schule u.a. in cc. 825, 827 § 2 CIC 1983 vor, dass als Unterrichtsgrundlage nur von der
(katholisch) kirchlichen Autorität herausgegebene bzw. genehmigte Bücher verwendet
werden dürfen.Dem religiös‐weltanschaulich neutralen Staat steht keine Entscheidung
darüber zu, ob diese Grundsätze “angemessen” sind.

Bei mehreren Religionsgemeinschaften, die einen Religionsunterricht gemeinsam
verantworten sollen, könnte aus Gründen der Praktikabilität ein Gremium zur
Meinungsbildung eingerichtet werden. Da über dieses Gremium das Mitwirkungsrecht der
Gemeinschaften wahrgenommen werden soll, ist dieses Gremium den
Religionsgemeinschaften zuzuordnen. Das schon für den Religionsunterricht geltende

Homogenitätsprinzip muss erst recht für solch ein Gremium gelten, denn wenn den
Religionsgemeinschaften schon keine konfessionsfremden oder konfessionslosen Schüler
aufgedrängt werden dürfen, muss dies insbesondere für ein Gremium gelten, in dem die
Inhalte des Religionsunterrichts ausgearbeitet und festgelegt werden sollen. Hier müssen
die Religionsgemeinschaften auch keine anderen „Mitentscheider“ akzeptieren, die sich bei
ihrer Mitwirkung erst über die Religionsgemeinschaften legitimieren müssen, ohne diesen
selbst anzugehören.

Wenn sich die Religionsgemeinschaften zum Aufbau eines Gremiums entschließen, das der
Schulbehörde als Ansprechpartner zur Verfügung stehen soll, so muss dieses nicht im
Schulministerium verortet werden. Es ist jedoch vorstellbar, dass das Schulministerium als
„Unternehmer“ des Religionsunterrichts aus seiner Trägerschaft für die sachlichen und
persönlichen Kosten in Absprache und mit Zustimmung der Religionsgemeinschaften die
Trägerschaft für dieses Gremium mit übernimmt. Dabei muss gewährleistet bleiben, dass
die inhaltliche Verantwortung hinsichtlich des Bekenntnisses weiterhin ausschließlich bei
den Religionsgemeinschaften verbleibt.

Dies könnte in Form eines Beirates geschehen, bei dem die inhaltliche Struktur des vormals
genannten Gremiums beizubehalten wäre. Inwiefern zusätzlicher externer Sachverstand in
das Gremium aufgenommen werden muss, wäre dann wiederum ‐ da dies eine inhaltliche
Frage wäre ‐ Angelegenheit der Religionsgemeinschaften. Die Verortung des
religionsgemeinschaftlichen Gremiums beim Ministerium wäre insoweit eine Form der
organisatorischen Unterstützung der für den Religionsunterricht notwendigen Benennung
eines Ansprechpartners, um nicht mit allen vier Gemeinschaften einzeln ins Gespräch treten
zu müssen. Eine inhaltliche Einmischung von staatlicher Seite, wozu auch die personelle
Ausstattung gehört, würde jedoch gegen die staatliche Neutralität in
Glaubensangelegenheiten verstoßen.

Konkret bedeutet dies, dass ein solches Gremium (Beirat) nur aus Vertretern der
Religionsgemeinschaften bestehen darf. Doch kann es je nach Diskussionsgegenstand
notwendig werden, dass zusätzlicher externer Sachverstand auf Vorschlag der
bekenntnisgebundenen Beiratsmitglieder in das Gremium aufgenommen werden soll. Dabei
muss jedoch wiederum das Homogenitäts‐Prinzip eingehalten werden. Dies kann
zumindest dadurch gewährleistet werden, dass die bekenntnisgebundenen Vertreter in
Bekenntnisfragen nicht überstimmt werden können. Diesen Anforderungen wird der
vorliegende Entwurf des § 132 a Abs. 5 in seiner jetzigen Form nicht gerecht.

INHALTLICHE ASPEKTE

Inhaltlich hat der Gesetzesentwurf neben den hier überblicksartig aufgezählten Problemen
noch weitere Aspekte, die angesprochen werden müssen. Eine Vielzahl dieser Schwächen
könnte vermieden werden, wenn das Gesetz in wesentlichen Punkten auf die Regelungen
des § 31 SchulG verweisen würde. Es ist auffallend, dass die hier noch anzuführenden
Aspekte in § 132 a fehlen, während sie im § 31 SchulG im Detail ausgeführt und gesetzlich
konkretisiert werden. Hinsichtlich des IRUs bedeutet dies, dass verfassungsrechtlich
gebotene Verfahren erst einmal grundsätzlich zur Diskussion gestellt werden.

§ 31 legt die notwendige Mindestzahl an Schülerinnen und Schüler eines Bekenntnisses zur
Einführung eines Religionsunterrichts an einer Schule mit 12 fest. Eine solche
Konkretisierung fehlt in § 132 a. Auch fehlt es an einer Klarstellung, dass es sich auch beim
Religionsunterricht nach § 132 a um einen ordentlichen Unterricht handelt.

Zu begrüßen ist die Teilnahmeregelung, die auf die Angabe des Teilnahmeinteresses bei der
Schulanmeldung abstellt. Dies erscheint als die praktikabelste Lösung, um die Frage nach
der Bekenntniszugehörigkeit zu lösen. Die Feststellung der eigenständigen
Befreiungsmöglichkeit der Schüler ist religionsverfassungsrechtlich richtig, wieso aber bei
muslimischen Schülern die Eltern keine Mitteilung darüber bekommen sollen, während
dies § 31 für die anderen Religionsunterrichte vorsieht, ist sachlich nicht nachvollziehbar.

Abschließend ist klärungsbedürftig, warum wesentliche Regelungen des § 31 Schulgesetz in
dem § 132 a fehlen. Dies sind Regelungen dahingehend, dass der Erlass der
Unterrichtsvorgaben im Einvernehmen mit den Religionsgemeinschaften oder dem Beirat ,
die Festsetzung der Unterrichtsstunden im Benehmen mit diesen, die Bevollmächtigung der
Lehrer durch Beirat oder Religionsgemeinschaft erfolgen und die Erwähnung der
Möglichkeit auch muslimische „Geistliche“ bei Fehlen von ausgebildeten Religionslehrern
einzusetzen ‐ alles Regelungen aus dem § 31 SchulG. Genauso fehlt es an der Klarstellung,
dass niemand gezwungen werden darf, Religionsunterricht zu erteilen. Auch das Recht auf
Einsichtnahme durch den Beirat oder die beteiligten Religionsgemeinschaften findet keine
Erwähnung.

Insgesamt muss gewährleistet werden, dass neue Lösungsansätze nicht noch mehr Probleme
aufwerfen als sie Alte lösen. Das laufende Gesetzgebungsverfahren bietet die Möglichkeit,
diese Mängel auszubessern. Davon sollte im Sinne eines vertrauensvollen Umgangs zu
Beginn einer längerfristigen Kooperation zwischen dem Land NRW und den muslimischen
Gemeinschaften Gebrauch gemacht werden. Dies sind wir gerade den muslimischen
Kindern schuldig, die es verdienen, dass nicht nur über die Einführung eines
bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts an ihrer öffentlichen Schule diskutiert,
sondern dieser endlich auch eingeführt wird.